Antragstellung 2014: Abgefragte Zeiträume in Anträgen zur Vollversicherung

 

Bei der Beantragung einer privaten Kranken-Vollversicherung sind viele wichtige Details zu beachten, so unter anderem die zu beantwortenden Gesundheitsfragen sowie die rechtlichen Pflichten, die sich hieraus ergeben (wie z.B. die vertragliche Anzeigepflicht bzw. deren Verletzung nach § 19 VVG):

  • Was ist alles im Antrag anzugeben und
  • was sind die möglichen Folgen, wenn Gesundheitsfragen falsch beantwortet werden

 

In der Praxis taucht immer wieder die Frage auf – von Vermittlern und Kunden – welche Zeiträume der Erkrankung bei der Beantragung einer privaten Krankenversicherung (PKV) abgefragt werden. Die Fragestellung und die abgefragten Zeiträume sind sowohl für Kunden mit Vorerkrankungen als auch für Vermittler von besonderer Bedeutung, da durch eine zielgerichtete Antragstellung viel Zeit auf beiden Seiten gespart werden kann. Mit der SEPA-Einführung wurden Ende 2013 bzw. Anfang des Jahres 2014 neue Anträge in der privaten Krankenversicherung (PKV) notwendig, die hinsichtlich der abgefragten Zeiträume der Erkrankung untersucht wurden. Ausgewertet wurden die Antragsformulare von 33 privaten Krankenversicherern, wobei nur die DEVK keinen Antrag zur Verfügung stellte.

 

Antrag und Gesundheitsfragen

Jeder private Krankenversicherer prüft den Gesundheitszustand potentieller Neukunden mit eigenen Antragsformularen, wobei der Inhalt und die Reichweite der gestellten Fragen deutlich voneinander abweichen. Manche PKV-Unternehmen verwenden noch immer gerne Einzelfragen mit einer Vielzahl von weiteren Unterfragen, was der Übersicht und der daraus entstehenden Kombinationsmöglichkeiten hinsichtlich der Auslegung der Fragestellung nicht sonderlich förderlich ist.

Während einige Versicherer wie die Allianz, Central, Concordia und Mannheimer sich gezielt und detailliert nach Beschwerden, Diagnosen und Krankheiten erkundigen, formulieren andere private Krankenversicherer wie die AXA, DBV und Continentale die Antragsfragen bewusst unscharf. Fragt die Allianz Krankenversicherung (APKV) detailliert nach Beschwerden in den letzten 3 Jahren in 19 Gesundheitsbereichen wie Herz und Kreislauf, Blutgefäße, Atmungs- und Verdauungsorgane etc. sowie der eingenommenen Medikamente, stellt die Continentale Krankenversicherung lediglich die Frage „Fanden in den letzten 3 Jahren Untersuchungen oder Behandlungen statt?“, eine Frage zu eingenommenen Medikamente fehlt gänzlich.

Bei der gezielten und detaillierten Abfrage von Beschwerden lassen sich weitere Unterschiede feststellen: Nicht nur die Anzahl der Fragen zu den verschiedenen Diagnosen variiert, auch der Zeitraum der gezielten Abfrage weiterer Beschwerden und Krankheiten schwankt zwischen 3 Jahren bei der Allianz, 5 Jahren bei der Central und Concordia sowie 10 Jahren bei der Mannheimer.

 

Auswirkungen auf den Antragsprozess

Auf den ersten Blick ist man verleitet zu sagen, dass unscharfe Formulierungen den Antragsprozess (evtl. auch die Annahme des Antrages durch den Versicherer bei ebenso kurzen und unpräzisen Antworten) beschleunigen können. Allerdings sollte dies nicht den Blick für die Tatsachen verstellen: vor Gericht werden alle beteiligten Parteien vom Vermittler über den Kunden bis hin zum Versicherer im Falle eines Falles Schiffbruch erleiden.

Die gezielte Abfrage von Beschwerden anhand konkreter Diagnosen kann als lästig empfunden werden, ist es aber nicht. Im Gegenteil, diese erzeugt Sicherheit und zwar auf beiden Seiten der Vertragsparteien. Der Versicherer kann sicher sein, die wesentlichen möglichen Erkrankungen abgefragt zu haben, und dem zukünftigen Versicherungsnehmer wird die Angst genommen, Beschwerden oder Krankheiten vergessen zu haben.

 

Pflichten des Antragstellers

Anstatt wie bisher den Antragsteller nur im „Kleingedruckten“ auf die Pflicht hinzuweisen, dass die Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten sind, fordern die Versicherer vermehrt den potentiellen Versicherungsnehmer dazu auf, auch „solche Erkrankungen und Beschwerden anzugeben, die als unwesentlich empfunden oder nicht als Erkrankung betrachtet werden“.

 

Stand: 09.04.2014

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Anmerkungen:
1) Allianz: Gezielte Abfrage weiterer Beschwerden / Diagnosen / Krankheiten (Zeitraum: 3 Jahre)
2) AXA | DBV: Unbegrenzte Abfrage nach Körperimplantaten sowie Krankheiten, Funktionsbeeinträchtigungen, Behinderungen, Fehlstellungen, Fehlbildungen - auch wenn diese derzeit nicht behandelt werden
3) AXA | DBV: Psychische/psychosomatische Erkrankung - 3 Jahre bei ambulanter bzw. 5 Jahre für stationäre Behandlung
4) Barmenia: Unbegrenzte Abfrage nach Krankheiten, Beschwerden oder Folgen von Krankheiten bzw. Verletzungen

 

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Abgefragte Zeiträume

Die abgefragten Zeiträume zu Erkrankungen und Behandlungen variieren deutlich, je nach Gesellschaft und Art der Vorerkrankung zwischen 3 und 10 Jahren. Bei ambulanten Behandlungen begrenzen 24 Versicherer die Abfrage auf 3 Jahre, die restlichen 8 Unternehmen erfragen einen Zeitraum von 5 Jahren.

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei zahnärztlichen Untersuchungen und Behandlungen: Auch hier dominiert der Abfragezeitraum von 3 Jahren (26 Versicherer) während 5 Versicherer sich nach den letzten 5 Jahren erkundigen. Ausnahme ist hier die Württembergische Krankenversicherung, die nur einen Zeitraum von 2 Jahren abfragt. Die hier aufgezeigten Zeiträume für ambulante Behandlungen stimmen mit denen für Heilpraktiker-Behandlungen überein.

Die Fragen zu stationären Behandlungen beziehen sich mehrheitlich auf einen Zeitraum von 5 Jahren (22 Versicherer), die restlichen 10 Versicherer wünschen Angaben zu den letzten 10 Jahren.

Ein anderes Bild ergibt sich im Bereich der psychotherapeutischen Behandlung: 19 Versicherer erfragen hier (noch immer) einen Zeitraum von 10 Jahren während 10 Versicherer sich für die letzten 5 Jahre interessieren. Erwähnenswert sind hier 4 Versicherer: Während AXA und DBV unterschiedliche Zeiträume für psychische und psychosomatische Erkrankungen abfragen (3 Jahre bei ambulanter bzw. 5 Jahre bei stationärer Behandlung) differenziert die Hallesche zwischen psychischen Störungen (3 Jahre) und psychotherapeutischen Behandlungen (10 Jahre). Nur die Debeka Krankenversicherung fragt als einzigster Versicherer einen unbegrenzten Zeitraum bei psychischen Störungen ab.

Bei Fragen zu eingenommenen Medikamente zeigt sich wiederum ein völlig uneinheitliches Bild: Während die Mannheimer nur 6 Monate abfragt, beziehen sich

 

  • 2 Versicherer auf einen Zeitraum von 12 Monaten
  • 2 Versicherer auf einen Zeitraum von 1 Jahr
  • 2 Versicherer auf einen Zeitraum von 2 Jahren
  • 16 Versicherer auf einen Zeitraum von 3 Jahren
  • 4 Versicherer auf einen Zeitraum von 5 Jahren

 

Bemerkenswert sind weitere 4 Versicherer, die hier einen unbegrenzten Zeitraum abfragen sowie 2 Versicherer, die keine explizite Frage zur Medikamenteneinnahme stellen.

Den stetig steigenden Zahlen der Krebsfälle geschuldet sind wohl die konkreten Fragen von 5 PKV-Versicherern zu bestehenden Krebserkrankungen. Hier reicht die Zeitspanne von 5 Jahren (Münchener Verein) bis hin zur unbegrenzten Abfrage (Central). Bei allen anderen Versicherer sind Krebserkrankungen im Rahmen der Fragen zu ambulanten und stationären Behandlungen und Erkrankungen anzuzeigen.

 

Antragsfragen nach Krankheitsbildern

Während in der ersten Tabelle die Fragen der Antragsformulare hinsichtlich der ambulanten, stationären und zahnärztlichen Bereiche ausgewertet wurden, untersucht die zweite Tabelle die Antragsfragen zu den üblicherweise abgefragten Krankheitsbildern wie Arbeitsunfähigkeit, Behinderungen, Erwerbsminderungen, chronische Leiden, Suchterkrankungen, HIV, Kinderwunschbehandlungen und Zeiten der Vorversicherungen bzw. abgelehnte Anträge.

Auffällig ist bei dieser Auswertung, dass viele Versicherer Zeiten einer längeren Arbeitsunfähigkeit nicht abfragen. Ähnlich verhält es sich bei Fragen zu chronischen Erkrankungen wie Asthma, Colitis ulcerosa, Demenz, Diabetes, Epilepsie, Multiple Sklerose, Morbus Crohn, Parkinson, Rheuma: Trotz der Schwere dieser Erkrankungen verzichten immerhin 18 Versicherer auf eine Frage hierzu. Im völligem Kontrast dazu stellen nahezu alle Versicherer eine Frage nach unerfülltem Kinderwunsch, Fruchtbarkeitsstörungen und/oder bestehende Sterilität, nur 4 Versicherer wünschen keine Angaben. Bei HIV-Erkrankungen ist dagegen die Sachlage klar: Bis auf eine ausnahme fragen alle Versicherer einen unbegrenzten Zeitraum ab.

Bei Fragen zu Suchterkrankungen wie Alkohol-, Drogen- oder Medikamentenabhängigkeit zeigt sich ein unheitliches Bild. Während die Hallesche nur 3 Jahre abfragt, beziehen sich

 

  • 5 Versicherer auf einen Zeitraum von 5 Jahren
  • 10 Versicherer auf einen Zeitraum von 10 Jahren
  • 7 Versicherer auf einen unbegrenzten Zeitraum und
  • 9 Versicherer wünschen keinerlei Angaben

 

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Anmerkungen:
1) AU: Frage nach Zeiten und Dauer von Arbeitsunfähigkeiten (AU)
2) Behinderung: Frage nach Behinderungen, Berufskrankheiten, Berufsunfähigkeit (BU), Erwerbsminderungen, Wehrdienstbeschädigungen, Schwerbehinderungen, Pflegebedürftigkeit, anerkannte Schäden, Funktionsbeeinträchtigungen, Fehlstellungen, Fehlbildungen, Körperimplantate
3) Frage nach chronischen Erkrankungen (Asthma, Colitis ulcerosa, Demenz, Diabetes, Epilepsie, Multiple Sklerose, Morbus Crohn, Parkinson, Rheuma)
4) Frage nach Suchterkrankungen (Alkohol, Drogen, Medikamente)
5) Frage nach Hepatitis-Erkrankung und/oder HIV-Infektion (durchgeführter AIDS-Test, Ergebnis AIDS-Test)
6) Sterilität: Frage nach unerfülltem Kinderwunsch, Fruchtbarkeitsstörungen, bestehende Sterilität
7) Vorversicherung: Frage nach der Vorversicherung und gestellten bzw. abgelehnten Anträgen

 

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Auch die zweite Auswertung zeigt, dass durch unscharfe Formulierungen in den Antragsformularen seitens der Versicherer viele Erkrankungen und Krankheitsbilder nicht benannt bzw. konkret abgefragt werden. Damit steigt die Gefahr, dass im Antrag falsche Angaben (bewusst oder unbewusst) gemacht werden.

 

Drei Sachverhalte sind bei dieser Untersuchung besonders aufgefallen:

  • Viele Erkrankungen tauchen in allen Antragsformularen auf, allerdings werden diese unter verschiedenen Synonymen und unterschiedlich lang definierten Zeiträumen abgefragt.
  • Einige Versicherer erzeugen noch immer mit den gestellten Fragen mehr Verwirrung als sie Klarheit schaffen. Während in einer Frage nach körperlichen Fehlern, Gebrechen Anomalien der letzten 3 Jahre gefragt werden, erkundigen sich die Gesellschaften in der nächsten Frage über einen unbegrenzten Zeitraum nach Behinderungen. An dieser Stelle muss die Frage erlaubt sein, ob manche Versicherer sich mit dieser Fragestellung nicht gezielt doppelt nach gleichartigen Diagnosen/Krankheiten erkundigen und dabei mit einer zeitlich unbegrenzten Frage, die zuvor festgelegten Zeiträume wieder aufheben, die sie selbst definiert hatten. Häufig erfolgt diese Überlappung in den Fragen nach Behinderungen, chronischen Leiden, Körperfehlern und/oder Anomalien.
  • Mit der abschließenden Frage eines Versicherers "Bestehen Krankheiten, Unfallfolgen, körperliche oder geistige Schäden bzw. Anomalien (wie z. B. Herzfehler, psychische Störungen, Nervenerkrankungen, Augenerkrankungen, Schädigung des Bewegungsapparates, Stoffwechselstörungen usw.), die zu den bisherigen Gesundheitsfragen noch nicht angegeben wurden?" werden alle zuvor festgelegten Abfragezeiträume wieder aufgehoben. Bei einer solch offenen Fragestellung ist es ratsam einen Auszug der Arztakte über alle Krankheiten und Diagnosen vorzulegen um einen späteren Streit zu vermeiden. 
 

Fazit

Auch fast 6 Jahre nach dem Test der Stiftung Warentest (FINANZtest 05/2008 Formulare der Privaten Krankenversicherer - Diagnose unklar) besteht noch immer Verbesserungsbedarf bei den Antragsformularen der privaten Krankenversicherer. Gezielte und klar abgrenzbare Fragen bringen Sicherheit für alle Beteiligten.

Mit Blick auf die Zukunft kann man nur hoffen, dass die PKV-Versicherer den zu erwartenden, sich verschärfenden Wettbewerb in der privaten Krankenversicherung mit Hilfe der Parameter leistungsstarke Produkte, Versicherungsbedingungen und Beiträge führen. Ein Wettbewerb über eine Absenkung des Niveaus der Gesundheitsfragen in den Vollversicherungsanträgen ist jedenfalls keine Option.

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